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Bofinger und Eschede

Eine deutsch - deutsche Geschichte Festgehalten von Klaus Drögemüller

Bofinger und Eschede:

Verschlungene Pfade führten zu Manfred Bofinger, aus der Südheide mitten ins Berliner Herz. Begonnen hatte es mit einem Wink des Schicksals, etwa 1985, also in Vorwendezeiten. Auf unseren jährlichen Besuchsreisen zu Freunden in der DDR- Provinz ging die Route über den schaurigen Grenzübergang Marienborn, Magdeburg, Zerbst, vorbei an Bitterfeld und Bad Düben nach Sachsen in die Nähe von Torgau. Honeckers Zwangsumtausch verleitete uns auf den Rücktouren zu wahrem Konsumrausch: Die Alu-Chips mussten - kurzes Verfallsdatums - auf den Kopf gehauen werden. Am schnellsten ging das in Dessaus sozialistischer Innenstadt. Dort gab es eine adrette Spielzeugabteilung im Kaufhaus, Buchhandlungen und ein Musikgeschäft mit angesagten Schallplatten von den Puhdys, Karat oder Veronika Fischer. Ja, und auf einmal lag sie so einfach da, die LP von Arno Schmidt & Band. Die Namensgleichheit mit dem großen Bargfelder machte neugierig. Und die Kaufentscheidung für das unbekannte Ostprodukt fiel entschieden leichter, weil mit einem an Keith Haring erinnernden Cover verziert, von Bofinger, wie sich später herausstellte.

Schnell entwickelte sich Schmidt-Ost, Liedermacher mit erstklassigen Texten und Top-Band, zum persönlichen Favoriten. 1988 waren wir beim Sachsenbesuch Ohrenzeugen der aufziehenden Zeitenwende: Beim Strellner Dorffest spielte freitags Klappstuhl aus Erfurt kernigen Bluesrock, und das Publikum kam zu Hunderten mit Easy Riadern, Fuchsschwänzen und Lederklamotten. Samstag sang dann der SED-Kreissekretär aus Eilenburg die ganze Maffay-Hitparade mit sächsischem Slang - und die Leute tobten. Kein Zweifel - die friedliche Revolution stand unmittelbar bevor. Im ersten Nachwendejahr 1990 trieb uns die Neugier an die traumhaft schönen Ostseestrände der Halbinsel Fischland-Darß.

Irgendwo in Ahrenshoop hing das Plakat: "Kurverwaltung Born lädt ein zum Konzert mit Arno Schmidt". Wir natürlich erwartungsvoll & rechtzeitig hin.  Aber:  Es kommen nur 6-7 Leute außer uns; in alten DDR-Zeiten waren's nicht selten fünftausend! Keine Zeit für Liedermacher! Doch der Live-Auftritt macht mich endgültig zum Schmidt-Fan. Wir knüpfen persönliche Kontakte, laden den Rostocker zu einem Konzert nach Eschede ein. 1993 ist er mit Frank Seidlitz in meinem Melkschuppen, '95 mit kompletter Band in der Musenmöhl. Als Bühnendekoration zwei Plattencover-Figuren. Von Bofinger. Arno gibt mir dessen Telefonnummer, stellt den Erstkontakt her.

Szenenwechsel: Im Eschede der Nachwendezeit steht die Dorferneuerung vor dem Abschluss und die Privatisierung der Bundesbahn ganz am Anfang. Gibt es eine Renaissance der Schiene? Gehört Eschede dann zu den Gewinnern? Man muss sich drum kümmern! In Hannover und auf anderen Großstadtbahnhöfen zeigt die Bahnreform erste sichtbare Erfolge. An den Bahnsteigen entwickeln sich die poppigen "Eisenmänner". zu Blickfängen. Es gibt zähe Verhandlungen um die legofarbenen Stahlskulpturen. Nein, für Dorfbahnhöfe sind sie zu exklusiv, es, sei denn, wir bezahlen sie zum Designerpreis von 15.000 Mark selbst, mit Kommunalknete also. Jetzt kommt die große Stunde unserer "Drei von der Kreuzung": Wieso bauen wir uns keine eigenen "Eisenmänner"? Unikate, die nur in der Südheide zu finden sind? Gesagt, getan: Ich schicke Bofinger einige Infos zu den "Drei'n". Lassen sich unsere Dorforiginale in unterschiedlichen Posen gleich an mehreren Standorten zwischen Kreuzung und Bahnsteigen in Szene setzen?

Lassen Sie! Bofinger gibt begeistert Rückmeldung. Eschede, sagt er am Telefon, das liegt doch dicht bei Celle   (wo er beim "Buchfinken" den Schnabelsteherpreis 1995 für sein "Gänsehaut" - Kinderbuch bekam) und: Hatte ihm nicht sein Kollege F.W. Bernstein berichtet, in Eschedes Flohrmühle ausgestellt zu haben für Randlage? So klein ist manchmal die Welt. Bofi will jedenfalls in sich gehen. Persönlich lernen wir uns im Herbst 1996 am Rande einer Lesereise durch Schulen des Celler Landes in der Fürstenhof- Kutscherstube kennen. Beim Feierabendbier reift die Idee, Silvester 1996 ist das Konzept am Ostseestrand fertig ausgebrütet. Statt der Ganzkörper-Ausgangsidee werden es drei monumentale Köpfe.

Einige Monate dauert der Countdown. Kultur- und Verwaltungsausschuss, Volksbank-Vorstand, Pappmodelle gehen auf Standortsuche, einstimmiger Realisierungsbeschluss, Einbindung in das Konzept Magische Orte, die Koffer-Mannschaft schreitet zur Tat, Heinzes spielen auch mit. Deutsch-deutscher Kulturalltag?